Das obere Sprunggelenk spielt eine Schlüsselrolle für den ungestörten Gangablauf – kann bei einer Arthrose ein künstliches Gelenk diese Funktion übernehmen?

Wer mal mit dem Sprunggelenk (OSG) umgeknickt ist, einen Bänderriss hatte oder sich den Knöchel gebrochen hatte, weiß, wie stark man dadurch für einige Zeit beeinträchtigt ist. Hat sich ein Verschleiß (Arthrose) des oberen Sprunggelenks entwickelt, so leidet man dauerhaft an Gelenkerguss, Schwellung, Instabilität oder Deformität, sowie der Einschränkung der körperlichen Belastung. Treppensteigen, Gehen auf Kopfsteinpflaster oder Barfußlaufen am Strand sind neben den Schwierigkeiten bei der Wahl eines tragbaren Schuhwerks nur einige Situationen, die die Lebensqualität des Betroffenen deutlich beeinträchtigen.

Sprunggelenk ohne Verschleiß

Sprunggelenk ohne Verschleiß

Sprunggelenk mit Verschleiß und dadurch bedingter Fehlstellung

Sprunggelenk mit Verschleiß und dadurch bedingter Fehlstellung

Im Alltag muss das Sprunggelenk hohe Belastungen beim Laufen, Springen und bei komplexen Bewegungen tolerieren. Sie können bis zum 7-fachen des Körpergewichts ausmachen und wirken dabei auf eine relativ kleine Gelenkfläche. Den gabelförmigen knöchernen Anteil des Gelenks (sog. Knöchelgabel) bilden Schienbein (Tibia), Wadenbein (Fibula) und Sprungbein (Talus) in einem fein abgestimmten Verhältnis. Muskel-, Sehnen- und Bandapparat am Innenknöchel und am Außenknöchel erhalten durch ihre korrekte Spannung und ungestörte Funktion die sensible Statik im Sprunggelenk. Ein operativer Ersatz (Prothese) bei einer Arthrose eines so störungsempfindlichen Gelenks, das auch hoher Belastung standhalten muss, ist daher sehr anspruchsvoll.

Die ersten künstlichen Sprunggelenke wurden bereits 1970 eingesetzt. Die modernen Sprunggelenks-prothesen bestehen aus zwei bzw. drei Komponenten, die zementfrei eingebracht werden. Sie wachsen nach entsprechender Präparation an den jeweiligen ehemaligen Gelenkflächen in die Knochenoberfläche ein (Press-Fit-Implantationstechnik). Die Prothese setzt sich zusammen aus einer Kappe für die Sprungbein-Rolle (Talus) und einer Abstützplatte für das Schienbein (Tibia). Beide sind je nach Modell mit einer Spezialbeschichtung beispielsweise mit Titan/Calciumphosphat versehen, die ein optimales Gleiten und Bewegen gewährleistet und wenig Abrieb erzeugt. Zwischen diesen beiden Komponenten wird ein frei beweglicher Kunststoff-Gleitkern in individueller Größe eingefügt. Alle Teile werden von den umgebenden Muskeln und Bändern geführt, so dass ein natürlicher Bewegungsablauf des Gelenks ermöglicht wird. Die anatomische Form der Komponenten lässt eine Rollgleitbewegung zu und ahmt somit größtenteils die natürliche Funktion des oberen Sprunggelenks nach. Zusätzlich ist es heutzutage möglich, durch verschiedene Prothesengrößen und -komponenten die Implantate individuell an die anatomischen Gegebenheiten anzupassen.

Beispiel eines Sprunggelenksprothesenmodells: zementfreie Zenith™ Corin -Prothese

Therapieziel bei der Implantation einer Sprunggelenksprothese („Künstliches Gelenk“) ist der schmerzfreie Erhalt der bisherigen Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk und im Idealfall eine Verbesserung des Bewegungsausmaßes und Gangbildes. Dadurch reduziert sich zudem die Anfälligkeit der benachbarten Gelenke, eine Arthrose zu entwickeln.
Voraussetzungen für die erfolgreiche Implantation einer Sprunggelenksprothese sind neben einer guten Knochensubstanz ein ausreichend stabil regulierter Bandapparat und eine weitgehend normale Fußachse. Grobe Fehlstellungen im oberen Sprunggelenk können die Operation erheblich erschweren, weil mit der Prothese lediglich die durch die Arthrose zerstörten Gelenkflächen ersetzt und primär zunächst keine Fehlstellungen ausgeglichen werden. Diese müssen dann durch Zusatzeingriffe an Knochen oder Sehnen erfolgen, was wiederum eine exakte präoperative Beurteilung der individuellen Situation erforderlich macht. Durch die körperliche Untersuchung des Patienten und Beurteilung der Bildgebung (Röntgen, Kernspintomographie (MRT) sollen Kontraindikationen wie Durchblutungsstörungen im Bereich des Sprungbeins, Infektionen und schwere Weichteilprobleme, die einen Sprunggelenksersatz unmöglich machen, ausgeschlossen werden.

Der Eingriff wird in Regionalanästhesie oder in Allgemeinnarkose durchgeführt und dauert zwischen 90 und 120 Minuten. Die meisten Prothesenmodelle werden über einen längsverlaufenden Hautschnitt vorne am oberen Sprunggelenk eingesetzt. Der Einbau der Prothese erfolgt mit Hilfe von präzisen Ausrichtungs- und Sägeschablonen. Nach Wunsch kann ein Schmerzkatheter gelegt werden, um nach der Operation individuell angepasst Schmerzmedikamente geben zu können. In der Regel kann der Patient mit entsprechender Unterstützung bereits am 1. Tag aufstehen. Eine Physiotherapie zur Verbesserung der Beweglichkeit und Muskelaufbau kann direkt begonnen werden. Zwei Wochen nach der Operation erfolgt die zunehmende Belastung, ggf. in einer stabilisierenden Schiene. Autofahren ist ca. 8 Wochen nach Protheseneinbau möglich, wenn der Fuß auch in Gefahrensituationen wieder voll belastbar ist. Die Nachbehandlung umfasst ca. 6-12 Wochen. Eine Reha ist nicht unbedingt erforderlich.

Intraoperatives Bild einer eingebauten Prothese

Röntgenbild in der seitlichen Ansicht mit Prothese

Wie bei anderen Operationen können auch bei der Implantation einer Sprunggelenksprothese Komplikationen auftreten. Kommt es zu einem Knochenbruch, muss dieser zusätzlich operativ stabilisiert werden. Wundheilungsstörungen und andere Weichteilprobleme benötigen manchmal eine längere Behandlung, gelegentlich auch plastisch-chirurgische Zusatzeingriffe. Kunstgelenke sind Abnutzungserscheinungen (nach durchschnittlich 10-15 Jahren) und Lockerungsgefahren ausgesetzt. In diesen Fällen können Nachfolgeoperationen notwendig werden. Selten ist ein Wechsel von Prothesenteilen oder eine endgültige Versteifungsoperation (Arthrodese) des Sprunggelenks notwendig, was wegen der relativ geringen Knochenverluste bei den neueren Prothesenmodellen als Rückzugsoption immer noch möglich ist.

Es kann zwar noch nicht jede Art des Gelenkverschleißes am Sprunggelenk mittels Prothesenimplantation behandelt werden, jedoch haben in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte bei der Prothesenentwicklung und Optimierungen der Operationstechniken die postoperativen Ergebnisse deutlich verbessert. Inzwischen wissen wir, was der Sprunggelenksprothese eine gute Haltbarkeit und lange Lebensdauer beschert. Bandinstabilitäten oder Fehlstellungen, die für den Einbau einer Sprunggelenksprothese nachteilig wären, können durch zusätzliche Begleiteingriffe beherrscht werden, so dass die Prothese zunehmend die Schlüsselfunktion für einen ungestörten Gangablauf übernehmen kann.

 

Es schreibt für Sie:

Dr. med. Mona Abbara-Czardybon

Dr. med. Mona Abbara-Czardybon

Fachärztin für Orthopädie
Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie
Zusatzbezeichnungen: Chirotherapie, Physikalische Therapie, Rehawesen, Röntgendiagnostik Skelett
Leiterin Fußzentrum Rheinland Haan