Beschwerden im Bereich der Schulter treten in der deutschen Bevölkerung in immer größer werdender Zahl auf. Ursächlich sind Überlastung (z. B. durch Sport oder Arbeit), Unfallfolgen, aber auch Verschleiß oder entzündliche Gelenkerkrankungen.
Wir behandeln jährlich ca. 3.000 Patienten wegen Schulterbeschwerden. Im Jahr 2011 wurden 830 Patienten von uns an der Schulter operiert, deren Beschwerden sich mit konservativer Behandlung nicht besserten. Jährlich werden bei uns rund 50 Schultergelenksprothesen implantiert.
Krankheitsbilder
Schulterinstabilität
Die Schulter ist das beweglichste Gelenk des Menschen. Bei einer kleinen und wenig gemuldeten Gelenkpfanne ist die exakte Führung des Gelenkes durch die ansetzenden Bänder, Gelenkkapsel und Sehnen extrem wichtig (die sogenannte Rotatorenmanschette).
Durch angeborene Überbeweglichkeit, sportliche Überlastung (z. B. Handball) oder Unfälle kann Instabilität auftreten. Dabei kommt es zum Verrutschen des Kopfes über den Pfannenrand hinaus. Dies endet im Extremfall in einer sogenanten Luxation. Hierbei kugelt der Kopf komplett aus der Pfanne aus. Dies ist sehr schmerzhaft führt schließlich unter anderem zu Knorpelschäden.
Bei einer Instabilität der Schulter findet man Überdehnungen der Sehnen-/Muskelmanschette, Einrisse bis hin zu Ablösung der Gelenklippe am Pfannenrand oder sogar einen knöchernen Defekt im Pfannenbereich durch Fraktur.
Die Diagnostik erfolgt klinisch, per Ultraschall, aber auch eine kernspintomographische Untersuchung ist unverzichtbar. Im Anschluss an die Diagnostik besprechen wir mit Ihnen die Behandlungsmöglichkeiten, die in Abhängigkeit zum Alter, der Arbeitsbelastung und der sportlichen Betätigung stehen.
Konservative Therapien
Bei der konservativen Behandlung einer Schulterinstabilität steht die muskuläre Stabilisierung durch Krankengymnastik im Vordergrund. Dies kann mit Elektrotherapie und eventuell Spritzen zur Erholung der Knorpelsubstanz verbunden werden.
Operationen
Bei dem operativen Eingriff wird arthroskopisch eine Raffung der Gelenkkapsel durchgeführt oder die gerissene Gelenkkapsel am Pfannenrand mit Fadenankern refixiert. Nur bei einem größeren knöchernen Defekt im Pfannenbereich muss ein in der Regel vom Beckenkamm entnommener Knochenspan an der Pfanne verschraubt werden.
Impingementsyndrom
Eine häufige Diagnose bei Schulterbeschwerden ist das sogenannte Impingementsyndrom. Bei dieser Erkrankung wird Raum oberhalb des Schultergelenkes – zwischen Sehnen und dem knöchernen Schulterdach oder dem Gelenk zwischen Schulterdach und Schlüsselbein – durch knöcherne Verdickungen bei Arthrose eingeengt. Die so entstandenen Knochenspitzen bohren sich bei Bewegung schmerzhaft in Muskel und Sehnen. Die Spätfolge ist häufig ein Sehnenabriss.
Konservative Therapien
Das Impingementsyndrom wird mit Krankengymnastik, Injektions- und Elektrotherapie behandelt. Hierbei muss bedacht werden, dass die Ursachen (vorhandene Knochenvorwölbungen) nicht beseitigt werden können. Bestehen die Schmerzen über einen längeren Zeitraum, kommt es häufig zu einem Einriss der Sehnen-, Muskelmanschette.
Die rechte Abbildung verdeutlicht eine ausgeprägte knöcherne Einengung durch Sporn am Schulterdach und Ausbildung von Spornen bei Verschleiß des Schultergelenks. Die Sehne ist deutlich eingeengt, jedoch noch intakt.
Operationen
Der entzündete Schleimbeutel wird arthroskopisch entfernt und die einengenden Knochenspitzen dabei schonend abgetragen. Im Anschluss sollte die Schulter für ca. 4–6 Wochen bewegt, aber nicht überlastet werden, damit sich die Sehnen-Muskelmanschette erholen kann. Diese Operation ist dringend anzuraten, wenn durch entsprechende Knochensporne und/oder bereits vorliegende Schädigung der Rotatorenmanschette kurz- bis mittelfristig womöglich ein Sehnenriss eintritt. Der dann erforderliche Eingriff und die Nachbehandlung sind sehr viel umfangreicher und langwieriger.
Rotatorenmanschettenriss
Der Einriss der Gelenkkapsel und der am Oberarmkopf ansetzenden Sehnen und Muskeln ist in ca. 70 Prozent verschleißbedingt. Bei über 70-jährigen Patienten besteht in 30–40 Prozent ein Riss, der nur bei zunehmenden Schmerzen oder einer erheblichen Funktionseinschränkung behandelt werden muss.
Allerdings kann die sogenannte Rotatorenmanschette auch durch Unfälle (bei Verschleiß bedingter Vorschädigung sogar durch Bagatellunfälle) ein- oder abreißen. Ein Riss geht meistens mit der plötzlichen Unfähigkeit der aktiven Armhebung einher. In solchen Fällen kann der abgerissene Anteil der Sehne, sofern der bereits vorhandene Verschleiß nicht zu groß ist, wieder am Knochen angeheftet werden. Dies ist insbesondere bei jüngeren und körperlich aktiven Menschen sehr wichtig, da eine intakte Rotatorenmanschette unverzichtbar für eine gute und freie Funktion des Schultergelenkes ist. Des Weiteren kommt es bei einem Riss oder Fehlen der Rotatorenmanschette mittel- bis langfristig zur Ausbildung einer Arthrose des Schultergelenkes. Eine Arthrose ist dann gegegenenfalls nur noch mittels Implantation einer inverser Schulterprothese zu therapieren.
Konservative Therapien
Bei jüngeren und aktiven Patienten ist bei einem akuten Riss der Rotatorenmanschette die operative Rekonstruktion in der Regel das Mittel der Wahl! Ist eine Operation zunächst nicht indiziert (z. B. aufgrund hohen Alters oder schwerer Begleiterkrankungen) bilden Krankengymnastik, Spritzen und/oder Elektrotherapie die ersten Behandlungsmaßnahmen. Zeigt sich keine deutliche Verbesserung, empfehlen wir eine operative Behandlung, da der Einriss sich erheblich vergrößern kann und schließlich die Rekonstruktion der Sehnenmuskelmanschette kaum mehr möglich ist.
Operationen
Eine operative Behandlung des Sehnenrisses – z. B. hervorgerufen durch einen Unfall – raten wir vor allem dann an, wenn der Patient bei der Arbeit auf eine voll funktionstüchtige Schulter angewiesen ist oder er in seiner Lebensführung erheblich beeinträchtigt ist (Schmerz, Kraftverlust bis zur Pseudolähmung). Bei kleinen und mittleren Rissen kann die Versorgung arthroskopisch erfolgen. Im Fall von Rupturen mit komplettem Verlust von mehreren Sehnen stellen wir die Funktion über einen offenen Eingriff, teilweise mit Sehnenersatz oder Versetzung von Sehnen wieder her. Bei der Nachbehandlung empfehlen wir eine vier- bis sechs-wöchige Schonung (in der Regel Ruhigstellung des Armes auf einem sogenannten Abduktionskissen) sowie gezielte Krankengymnastik über drei–sechs Monate.
Kalkschulter
Ablagerungen von Kalk können prinzipiell in allen Sehnenansätzen bei chronischer Belastung auftreten. Am häufigsten geschieht dies im Bereich der Schultersehnen und im darüber liegenden Schleimbeutel. Ausgelöst wird durch den Kalk ein heftiger Entzündungsreiz mit stärksten Schmerzen und Bewegungseinschränkung.
Konservative Therapien
Vorrangiges Ziel der konservativen Therapie ist die Schmerzreduktion mit entzündungshemmenden, schmerzlindernden Tabletten und/oder Injektionen. Trotz Schmerzen sollte die Schulter stets bewegt werden, da sonst eine Einsteifung droht. Die von uns angewandte Stoßwellentherapie führt in 75 Prozent zu einer Auflösung des Kalkdepots und somit zur Beschwerdefreiheit.
Operationen
Ein operativer Eingriff ist dann notwendig, wenn die konservativen Möglichkeiten bei der Behandlung einer Kalkschulter nicht greifen. Hat das Kalkdepot die Sehne komplett durchsetzt und es droht eine Ruptur, empfehlen wir die Entfernung mittels Endoskop.
Arthrose des Schultergelenks
Der zunehmende Verlust des Gelenkknorpels, oft verbunden mit Verformungen von Kopf und Gelenkpfanne, führt vor allem im Alter zu zunehmenden Schmerzen. Aber auch jüngere Menschen können bei Vorliegen einer rheumatischen Erkrankung oder nach erlittenem Unfall betroffen sein.
Konservative Therapien
Zur Linderung der Schmerzen und einer verbesserten Beweglichkeit setzen wir auf:
- Injektion von Knorpelschutzpräparaten
- Cortisoninjektionen
- Elektrotherapie
- Krankengymnastik
Eine vollständige Heilung der Arthrose ist generell nicht möglich. Bei entsprechendem Funktionsverlust der Schulter und/oder Leidensdruck ist schlussendlich nur die Versorgung mittels Schultergelenksprothese zur „Heilung“ möglich.
Operationen
Die Entfernung von losen Knorpelteilen und der entzündeten Schleimhaut durch eine Gelenkspiegelung führt zu einer raschen Schmerzlinderung. Da im Falle einer Arthrose keine Heilung erzielt werden kann, raten wir bei anhaltenden Beschwerden zum Einsatz eines Kunstgelenks.
Endoprothetik
Während in Deutschland jährlich ca. 200.000 Hüftprothesen und über 150.000 Knieprothesen eingebaut werden, ist die Zahl von 10.000 Schulterprothesen trotz größerem Bedarf noch sehr gering. Dieses ist zurückzuführen auf die größere Angst der Patienten und die mangelnde Erfahrung bei Auswahl und Implantation der korrekten Prothese.
Wir implantieren Schulterprothesen in der Sana Fabricius-Klinik seit 1996 bei einer Anzahl von derzeit ca. 50 Prothesen im Jahr. Wichtig ist zu wissen, dass die Haltbarkeit und die Funktion der Prothese durch zunehmenden Knochenverlust, vor allem im Pfannenbereich und durch ausgedehnte Sehneneinrisse negativ beeinflusst wird. Alter, knöcherne Situation und Zustand der Sehnen-Muskelmanschette beeinflussen die Wahl der optimalen Prothese.
Cupprothese
Dieser Prothesentyp (siehe Abb. rechts) findet Anwendung bei Knorpelschäden im Bereich des Kopfes, während die Pfanne noch relativ gute Verhältnisse aufweisen sollte. Voraussetzung ist zudem eine intakte Sehnen-Muskelmanschette. Bei der OP entfernen wir geschädigte Knorpel und Knochen. Auf den gut durchbluteten Knochen wird dann die Cupprothese zementlos aufgesetzt. Vorteil dieser Methode ist, dass der Wechsel von der Cupprothese auf ein anderes Prothesenmodell unproblematisch ist.
Schaftfreie Prothese
Dieser Prothesentyp (siehe Abb. rechts) findet vor allem bei jüngeren Patienten mit Arthrose seine Anwendung. Im Prinzip gelten hier die gleichen Voraussetzungen wie bei der Cupprothese. Bei der Cupprothese ist es oft sehr schwierig auch die Gelenkpfanne zu ersetzen. Steht von vornherein fest, dass die Pfanne ebenfalls ersetzt werden muss, wird die schaftfreie Prothesen verwendet. Voraussetzung ist auch hier eine intakte Sehnen-Muskelmanschette.
Vorteile der schaftfreien Prothese und der Cupprothese sind der geringe Knochenverlust im Vergleich zu klassischen Prothesen sowie die Tatsache, dass der Wechsel auf ein anderes Prothesenmodell unproblematisch ist.
Bei jüngeren Patienten (unter 60 Jahren) mit einem Knorpelverschleiß im Pfannenbereich ist die schaftfreie Prothese in der Regel die Prothese der Wahl.
Anatomische Prothese
Bei Verschleiß des Schultergelenkes und erhaltener Sehnen-Muskelmanschette wird ein anatomischer Schaft implantiert in Kombination mit einer künstlichen Pfanne.
Die alleinige Implantation eines Schaftes hat sich insbesondere bei älteren Menschen nicht bewährt, da der Prothesenkopf rasch die Pfanne zerstört und es zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen kommt.
Inverse Schulterprothese
Bei über 40 Prozent der von uns mit einer Schulterprothese versorgten Patienten besteht nicht nur eine ausgeprägte Arthrose sondern auch gleichzeitig ein Verlust der Sehnen-Muskelmanschette. Durch den Einbau einer Standardprothese kann hier die Bewegungseinschränkung und der Kraftverlust nicht behoben werden.
Als Lösung des Problems bietet sich die Implantation einer sogenannten inversen (umgekehrten) Prothese an. Hierbei wird an der Pfanne eine Halbkugel aus Metall fixiert, während im Oberarmschaft eine geschüsselte Prothese eingebracht wird, die sich dann von unten an der Halbkugel abstützt.
Bereits seit 1999 wird dieser Prothesentyp von uns erfolgreich implantiert.
Der Verlust der Rotatorenmanschette sollte vermieden werden und bei Arthrose möglichst eine Standardprothese eingebaut werden, da dann später noch auf eine inverse Prothese gewechselt werden kann. Die Inverse Prothese ist die letzte Möglichkeit dem Patienten zur Schmerzfreiheit und Wiederherstellung der Beweglichkeit zu verhelfen.